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Kultur und Technik
Die Podiumsdiskussion im Lindenmuseum am 29. April 2019 thematisierte die aktuelle Kontroverse eines angemessenen Umgangs mit den Beständen völkerkundlicher Sammlungen. Die beiden herausragenden Protagonisten der Debatte, Bénédicte Savoy und Albert Gouaffo, diskutieren mit der Fachreferentin für Afrika des Linden-Museums, Sandra Ferracuti, und der Staatssekretärin Petra Olschowski über die Rückgabe afrikanischen Kulturerbes.Moderation: Sigrid Brinkmann, Deutschlandfunk KulturMichaela Ott: Franzoesische Philosophie in (post)kolonialer Kritik (12.02.2020)
Die französische Philosophie des 20. Jahrhunderts hat wie keine andere zur Beachtung des „A/anderen“ aufgerufen und sich selbst an die Grenze des Denkbaren und eurozentrischer Artikulation zu treiben gesucht. Unter der Formel eines „Denkens des Außen“ wurden die Autorposition, die Konzentration der Philosophie auf die Frage der menschlichen Existenz, herkömmliche Ontologien und Unterteilungen wissenschaftlicher Disziplinen in Frage gestellt. Diese wurden ersetzt durch Versuche des Sprechenlassens der diskursiven Strukturen selbst, durch entgrenzende und entanthropomorphisierende Lektüren von Literatur und Kunst, durch Begriffserfindungen, disziplintransversale Theorieentwürfe usf.Aber so radikal diese Ansätze bis heute erscheinen, so haben sie gerade aufgrund ihres Paradigmenwechsels Entscheidendes nicht wahrgenommen: die mit der Entkolonisierung sich mehrenden anderskulturellen Personen und ihr Wirken auf dem französischen Territorium, mithin die zunehmende politische Heterogenisierung Frankreichs selbst.Michaela Ott fragt nach der methodischen Farbenblindheit dieses philosophischen Denkens, nach Stimmen, die zu hören gewesen wären und heute aus dem „Außen“ wahrnehmbar sind. Sie unternimmt einen historischen Durchgang durch die französische Theoriebildung von 1936 bis heute, durch ihre methodischen Umbrüche und die schwer nachvollziehbare Ausblendung von Alteritäten trotz ihrer Zentralstellung im Diskurs.Bernard Stiegler: Die Digitalisierung und die Zukunft Europas (16.01.2020, Vortrag auf französisch)
In seinem Vortrag zeigte Bernard Stiegler, wie Europa einerseits maßgeblich zum Aufstieg des WorldWideWeb beigetragen hat, andererseits durch die digitalen Netze seit 1993 geschwächt wird. Die Gründe dafür arbeitete er auf Grundlage einer alternativen Lesart der Theorien von Entropie und Negentropie heraus.
In einem Parcours durch die europäische Philosophiegeschichte suchte er Anhaltspunkte für eine sinnvolle Gestaltung der Digitalisierung; ein aktuelles Projekt aus der Pariser Banlieue illustrierte beispielhaft seine Vision der digitalen Souveränität.Ute Frevert: Gefühle und Geschichte (23.05.2019)
Wer nach der Geschichtlichkeit von Gefühlen fragt, handelt sich ungläubige Nachfragen ein. Sind Gefühle nicht etwas Allgemein-Menschliches und damit Überzeitliches? Kannten nicht schon die Menschen der Antike Angst, Zorn, Neid und Liebe? Gingen Bürger und Bürgerinnen nicht schon 1848 oder 1918 aus Wut und Empörung auf die Straße und forderten, ähnlich wie 1989 in der DDR, einen politischen Regimewechsel? Und wie lassen sich Gefühle überhaupt dingfest machen, so dass sie für Historiker fassbar und deutbar sind?Die Historikerin Prof. Dr. Ute Frevert ist Direktorin am Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, wo sie seit 2008 den Forschungsbereich „Geschichte der Gefühle“ leitet. Ihr Vortrag wurde umrahmt von der Ausstellung „Die Macht der Gefühle. Deutschland 19|19“, die sie gemeinsam mit Bettina Frevert für die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ und die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur unter der Schirmherrschaft von Bundesaußenminister Heiko Maas erarbeitet hat.Elysée-Festvortrag: Thomas Gaehtgens: Reims in Flammen – Drama und Versöhnung zwischen Deutschland und Frankreich (22.01.2019)
Zu Beginn des Ersten Weltkrieges, im September 1914, wurde die Kathedrale von Reims von der Deutschen Armee beschossen und in Brand gesetzt. Das Ereignis löste aufgrund der symbolischen Bedeutung des Bauwerks als Krönungskirche und Nationaldenkmal weltweite Empörung aus. Die Deutschen galten von nun an als Hunnen und Vandalen, die in den Krieg gezogen seien, die französische Kultur zu zerstören. Der Flut von Propagandaschriften und Postkarten wurde von deutscher Seite mit der Einrichtung des „Kunstschutzes“ entgegnet, einer der Armee zugeordneten Abteilung von Denkmalpflegern. Die Erinnerung an die Zerstörung der Kathedrale belastete die politischen und kulturellen Beziehungen beider Länder in den folgenden Jahrzehnten schwer. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg vermochten de Gaulle und Adenauer einen Prozess der Versöhnung zwischen den beiden Ländern einzuleiten, den sie mit einer Messe in der Kathedrale von Reims symbolisch zum Ausdruck brachten. Wenige Monate später wurde im Jahre 1963 der Élysée-Vertrag unterzeichnet, der die Zusammenarbeit und Partnerschaft der beiden Länder begründete.